Hermann Müller-Franken Preis
demokratieförderung als daueraufgabe
Vergangenen Samstag wurde zum zweiten Male der Hermann Müller-Franken Preis für herausragendes Engagement für die Demokratie in Franken verliehen. Preisträger war in diesem Jahr ein Lokalmatador: der Sozialdemokrat und langjährige Gewerkschafter Heinz Gärtner aus Schney. Er erhielt den Preis der Franken-Akademie Schloss Schney aus den Händen von Prof. Dr. Günter Dippold, Bezirksheimatpfleger für Oberfranken und Stefan Hinterleitner, 1. Vorsitzender des Vereins zur Förderung der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung e.V.
Trotz hochsommerlicher Temperaturen war am späten Samstagnachmittag im Festsaal der Franken-Akademie Schloss Schney fast jeder Stuhl besetzt. Weder Parteifreunde noch Politiker und Familienangehörige wollten sich die Verleihung des Hermann Müller-Franken Preises an Heinz Gärtner entgehen lassen, den Laudatorin Susann Biedefeld, MdL a.D. und Ehrenvorsitzende der Franken-Akademie Schloss Schney, selbst für die Auszeichnung vorgeschlagen hatte. Die Auszeichnung wird jährlich durch den Förderverein zur Politischen Jugend- und Erwachsenenbildung vergeben und würdigt besonderes Engagement um das demokratische Miteinander und die demokratische Teilhabe in Franken.
Für Laudatorin Susann Biedefeld, die sich selbst im Rahmen ihres politischen Schaffens immer für ein demokratisches Miteinander stark gemacht hat, sei Heinz Gärtner ein „nimmermüder, vielseitiger Marathonläufer für unsere Demokratie“, wie sie in ihrer Festrede betonte. Seit vielen Jahrzehnten habe Gärtner in seiner Heimatstadt Schney und weit darüber hinaus mit unerschütterlicher Geduld und viel Empathie Projekte, Demonstrationen und Veranstaltungen gegen Rechts, Rassismus und Antisemitismus begleitet und initiiert. Besonders sein enormes, soziales ehrenamtliches Engagement sei herausragend. Er trete immer wieder als Ansprechpartner, Helfer und Unterstützer auf, sei es für Seniorinnen und Senioren in Lichtenfels oder zusammen - mit seiner ebenso engagierten Frau Ruth - für Asylsuchende und Geflüchtete aus der Ukraine.
Vielleicht ist Heinz Gärtner’s Tatkraft auch einfach tief in seiner Genetik verwurzelt. Denn bereits sein Ur-Ur-Ur-Großvater Georg Gärtner, ebenfalls Sozialdemokrat, arbeitete seit 1889 für die Nürnberger Parteizeitung als Redakteur, wie Bezirksheimatpfleger für Oberfranken, Prof. Dr. Günter Dippold, in seiner Festrede erklärte. Später galt der gelernte Schneyer Korbmacher Georg Gärtner als einer der wichtigsten Journalisten bei der „Fränkischen Tagespost“ in Nürnberg, die im legendären Karl-Bröger-Haus, dem damaligen Hauptsitz der Nürnberger SPD, beheimatet war. Er arbeitete mit politischen Größen der angehenden Weimarer Republik, wie Philipp Scheidemann und Kurt Eisner, zusammen und erlebte bei der Einweihung des Karl-Bröger-Hauses 1930 jenen Hermann Müller-Franken, damals SPD-Vorsitzender, der heute Namensgeber für den Demokratiepreis der Franken Akademie Schloss Schney ist. Und so schließt sich der Kreis mit Heinz Gärtner, seinem Vorfahren Georg Gärtner und dem SPD-Politiker Hermann Müller – Franken: alle Drei sind und waren engagierte und aufrechte Demokraten, die sich immer wieder gegen erstarkende Ränder, für gesellschaftliches Miteinander und Arbeitnehmerrechte eingesetzt haben.
Heinz Gärtner wurde 1949 in Lichtenfels geboren. Er absolvierte eine Lehre zum Maschinenschlosser bei der Firma Hellum in Coburg und arbeitete später als Facharbeiter für die Werkzeugmaschinen-fabrik Kapp / Niles in Coburg, wo er 19 Jahre weltweit im Außendienst als Kundendiensttechniker und Richtmeister im Einsatz war – oft auch in der ehemaligen DDR. Nachdem er in einer Außenstelle des Stasi-Unterlagen-Bundesarchivs Einsicht in mögliche Akten über seine Person beantragt hatte, erhielt er kurz darauf einen 120 Seiten starken Bericht über seine Person. Dokumente, die ihn auf Grund ihres Umfangs und der Detailgenauigkeit tief bewegt und erschüttert, aber in seinem Tun für eine starke Demokratie bestätigt haben. Schon sein Großvater hatte ihm als Kind immer wieder eingeprägt: „Pass auf und setze Dich für die demokratischen Grundrechte ein!“. Er hatte miterlebt, wie schnell die erste Demokratie in Deutschland verfiel und war 1933 für mehrere Monate von der Gestapo nach Dachau ins Konzentration verschleppt worden. Der Grund war die Teilnahme an einer Wirtshaus-Saalschlacht in Schney, die ein Bayreuther Naziführer provoziert hatte, um sozialdemokratische Politiker zu schmähen.
1966 trat Heinz Gärtner in die SPD ein und wurde fast zeitgleich Mitglied der Gewerkschaft IG-Metall, wo er zeitweise als Delegierter und Mitglied der Ortsverwaltung der IG-Metall Coburg auftrat. 33 Jahre war er Mitglied im Betriebsrat und Betriebsratsvorsitzender bei Kapp / Niles. Er prägte die Schneyer Jungsozialisten maßgeblich, war Vorsitzender im SPD-Ortsverein Schney (dem ältesten in Deutschland) und 36 Jahre Mitglied des Lichtenfelser Stadtrats. Seit 2012 ist er bei den „Aktiven Bürgern von Lichtenfels“ und Teil der Initiativen „Demokratie leben“ und „ Lichtenfels ist bunt“. Sein Engagement wurde mit der Hans-Böckler-Ehrenmedaille vom DGB – Bundesvorstand, dem Bundesverdienstkreuz am Bande für „ Besondere Verdienstdienste“ der Bundesrepublik Deutschland und – ganz aktuell – mit dem Hermann Müller-Franken Preis ausgezeichnet. Er sei dankbar für diese Ehrung, weil sie ihn motiviere, immer weiter zu machen, „nicht als Konsument, sondern als Gestalter der Gesellschaft“.
Warum sollten also Persönlichkeiten wie Heinz Gärtner oder – wie im vergangenen Jahr – Martin Becher für ihr Engagement ausgezeichnet werden? Zum einen um diesen Menschen zu danken, fasste Stefan Hinterleitner, 1. Vorsitzender des Vereins zur Förderung der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung e.V., in seiner Begrüßung zusammen. Aber auch um sie als Vorbilder herauszustellen, denen hoffentlich viele andere auf ihre ganz individuelle Art und Weise folgen werden. Und so soll der Hermann Müller-Franken Preis vor allem Mut machen und zum Nachahmen motivieren, oder um eigene Wege und Aktionsformen zu finden, die unsere Demokratie auch zukünftig stärken.
Wer ist Hermann Müller-Franken?
Mit der Auslobung des Preises gedenkt die Franken-Akademie Schloss Schney auch einem herausragenden, aufopferungsvollen Demokraten im frühen 20. Jahrhundert: Hermann Müller-Franken (*18.05.1876 +20.03.1931). Er war von 1919 bis 1928 Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und gehörte 1919 als Außenminister sowie später zweimal (1920 sowie von 1928 bis 1930) als Reichkanzler dem Kabinett des Deutschen Reichs an. Geboren in Mannheim und aufgewachsen in der Region Dresden, vertrat er ab 1920 den Wahlkreis Franken im Reichstag und ergänzte seinen Namen auch in Hermann Müller-Franken. Er gilt als ein Zeitzeuge der November-Revolution und verarbeitete seine Erlebnisse in dem 1928 erschienen Buch „Die November-Revolution – Erinnerungen“.
In einer Zeit, in der die Demokratie in Deutschland mehr Feinde als Freunde hatte, setzte sich Hermann Müller-Franken unermüdlich für die Weimarer Demokratie und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ein.
Hermann Müller-Franken war auch der letzte Reichskanzler in der Weimarer Republik, der sich auf eine demokratisch legitimierte Parlamentsmehrheit stützen konnte.
Nach seinem Rücktritt 1930 zerfiel die Demokratie in Deutschland bis zur Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 nach und nach. Somit darf Hermann Müller-Franken getrost als ein leuchtendes Vorbild für demokratisches Wirken in stürmischen Zeiten bezeichnet werden.
